Ich habe für eines meiner Uni-Seminare einen Artikel schreiben müssen und natürlich war der ESC das Thema meiner Wahl. Auch wenn es nur ein Mockup ist, hoffe ich, dass er euch gefällt:
"Der Eurovision Song Conest – Ist das Kunst oder kann das weg?
Der Wonnemonat Mai weckt wohl bei jedem Menschen vielseitige Assoziationen jeglicher Art – die ersten Vorläufer des Sommers locken an den Grill, es grünt soweit das Auge reicht und zumindest in diesem Jahr gab es auch eine Vielzahl gesetzlicher Feiertage, die trotz Pandemie-Frust so etwas wie Urlaubsstimmung aufkommen ließen. Aber war da nicht noch etwas, an dem man zu dieser Zeit kaum vorbeikommt? Richtig, der Eurovision Song Contest, der uns seit nunmehr sage und schreibe 66 Jahren die europäische Idee sowohl visuell als auch akustisch vor Augen führt. Der Mai ist, ob man es nun will oder nicht, auch der Eurovision-Monat.
Partystimmung in der Pandemie?
In diesem Jahr kehrte der gleichsam geliebte und oftmals belächelte Liederwettbewerb nach einem Jahr Corona-bedingter Zwangspause zurück auf unsere Bildschirme. Zwei lange Jahre haben sich die niederländischen Organisatoren dementsprechend auf diesen Moment und jede Eventualität vorbereiten können. Sieben Tage lang feiern, singen, tanzen, lachen und das alles ohne Masken? Geht nicht? Die vergangene Woche zeigt: Geht doch. In drei Shows durften Künstler*innen aus 39 Ländern in Rotterdam (fehlendes) Talent sowie Liedgut präsentieren und uns dabei vor Augen führen, wie schmerzlich unbeschwertes Beisammensein doch fehlt(e). Besonders überraschend dürfte dabei für viele Menschen vor allem der Umstand gewesen sein, dass tatsächlich Zuschauer in der Ahoy Arena anwesend sein durften – 3500 pro Show. Möglich machte dies ein minuziös durchgeplantes Zusammenspiel von umfassenden Hygienemaßnahmen auf der einen und regelmäßigen Schnelltests auf der anderen Seite - Alles Teil einer wissenschaftlichen Studie zur Ausrichtung von Großveranstaltungen unter Extrembedingungen. Nun mag genannte vierstellige Zahl bei einer Kapazität von 16 000 wie ein Tropfen auf dem heißen Stein wirken – In Wahrheit ist sie aber doch ein so wichtiges, ja nötiges Zeichen von Hoffnung und Normalität.
Wer hätte es gedacht, dass der ESC einmal für ein fragiles Konzept wie „Normalität“ stehen würde? Weder das Fehlen der australischen Künstlerin Montaigne noch die kurzfristig auferlegte Quarantäne der isländischen Band Daði og Gagnamagnið konnten der äußerst positiven Stimmung vor Ort einen Abbruch tun. Immerhin durften beide Acts mit Backup-Aufzeichnungen ihrer Aufritte doch noch am Wettbewerb teilnehmen und letztere sich gar fürs Finale qualifizieren.
Italien jubelt, Deutschland trudelt (mal wieder)
Wenn man nun einen Blick auf das Endergebnis des Finales und ganz besonders das Medienecho (die klassischen deutschen Rückzugsforderungen und der konstruierte italienische Kokain-Skandal inklusive) diesbezüglich wirft, scheint doch grundsätzlich eigentlich alles wie in jedem Jahr zu sein: andere Länder dürfen eine reiche Punkteausbeute feiern und Deutschland einen mauen vorletzten Platz betrauern. Same procedure as every year? Alle finden uns ganz blöd? Nicht ganz. Ja, drei Punkte für Jendrik, der mit seinem ulkigen „I Don`t Feel Hate“ (dt.: Ich verspüre keinen Hass) die deutschen Fahnen wehen lassen durfte, sind quasi nichts. Insbesondere wenn wir auf die beeindruckenden 524 Punkte der erstplatzierten italienischen Glamrock-Band Måneskin blicken, kann man schon geneigt sein, sich der Verzweiflung hinzugeben. Dass dies aber angesichts der aktuellen Umstände defacto „Jammern auf höchstem Niveau“ ist, scheinen viele Kritiker gänzlich zu verdrängen und das zeigt doch, dass der ESC seine selbst auferlegte Aufgabe ganz besonders in diesem Jahr prächtig erfüllt hat: Die Zuschauer für ein paar Momente die alltäglichen Sorgen vergessen und einfach Spaß haben zu lassen.
Glam-Rock, Balkan-Pop und französischer Chanson gegen Corona-Blues
Abseits nackter Zahlen dürfte vor allem das vielseitige Liedgut und die markanten Persönlichkeiten des 65. Eurovision Song Contests im Gedächtnis bleiben, die nun wirklich keinerlei Wünsche offen ließen. Ein Fest für alle Sinne und jedes Gemüt, möchte man sagen. Wer zuvor eine Endlosschleife melancholischer Corona-Balladen erwartet hatte, dürfte maßlos enttäuscht worden sein. Viel mehr standen Themen wie „Empowerment“, „Vielfalt“ und „Aufbruch“ im Zentrum der meisten Songtexte. Was im ersten Moment abgedroschen, gar ausgelutscht klingt, ist vermutlich selten so relevant, so ehrlich, so vielgestaltig
interpretiert worden, wie in dieser holländischen Frühsommer-Woche. Da wäre zum einen die französisch-serbische Singer-Songwriterin Barbara Pravi, mit ihrem eindringlichen Chanson „Voilà“ (dt.: Siehe da) zu nennen, welches vor allem Frauen dazu ermutigen soll, sich nicht zu verstecken. Oder auch der norwegische Sänger Tix, der in seinem Song „Fallen Angel“ (dt.: Gefallener Engel) die Auswirkungen seiner Tourette-Erkrankung auf das eigene Leben sowie die geistige Gesundheit aufgreift. Die bereits erwähnten italienischen Rocker, die sich in ihrem Song „Zitti e buoni“ (dt.: Leise und brav) im übertragenen Sinne gegen die „Herrschaft der Alten“ auflehnen, lassen sich ebenso in dieses außergewöhnliche Lineup einreihen, wie der niederländisch-surinamische Künstler Jeangu Macrooy, die gerade einmal 18-jährige maltesische Powerfrau Destiny und ja, auch „unser“ Jendrik.
Kunst liegt stets ihm Auge des Betrachters
Viel wird immer wieder über den Eurovision Song Contest, über dessen Sinn und Zweck gesagt – einiges positiv, vieles negativ. Bei aller zumindest zum Teil berechtigten Kritik sollte man aber nicht aus den Augen verlieren, warum es diesen Wettbewerb eigentlich gibt. Sicher, er soll uns unterhalten, aber das ist beweintem nicht alles. Viel mehr, und das ist wohl das Wichtigste, führt er uns Jahr für Jahr vor Augen, wie viel uns als Europäer, als Menschen mit individuellen Lebensumständen, Sorgen und Ängsten, Hoffnungen und Wünschen bei all der schier grenzenlosen Vielfalt verbindet – Wie viel wir, Punkte und Platzierungen hin oder her, doch eigentlich gemeinsam haben und wie sehr wir uns alle besonders in Zeiten von Pandemie, von politischen Unruhen nach einem friedlichen, einem normalen Miteinander sehnen. Das ist, das kann der ESC. Das ist (eine) Kunst und sollte definitiv niemals weg."